Das DCKS Festival

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Stuntman_Dan
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Das DCKS Festival

Ungelesener Beitrag von Stuntman_Dan »

Es geht mal wieder um ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Egal ob in Film und Fernsehen oder in der Musikbranche, der Frauenanteil ist nach wie vor viel zu niedrig.

Wenn man sich nur mal den Frauenanteil der Lineups (von den Headlinern ganz zu schweigen) der gängigen Festivals anschaut, ist das einfach nur peinlich.

Nun hat Carolin Kebekus beschlossen etwas dagegen zu unternehmen und ihr DCKS Festival ins Leben gerufen, das zu Pfingsten dann auch über die Bühne gegangen ist. Hierzu gibt es nun eine mehr als sehenswerte einstündige Doku, ab sofort abrufbar in der ARD Mediathek.

Hier mal der Link: Carolin Kebekus und das DCKS Festival - Frauen auf die Main Stage!

Viel Spaß dabei! :D
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MartinC
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

<satire modus="on">

Was hat Mylène Farmer doch für ein Glück gehabt, daß es 1983 in Frankreich so eine rigide Frauenquote gab. Man stelle sich vor - wenn die Plattenfirmen nicht gesetzlich gezwungen gewesen wären, sie unter Vertrag zu nehmen, die Radiosender nicht gezwungen, sie zu spielen, und vor allem die Franzosen nicht gezwungen, ihre Platten zu kaufen - dieses Forum hier würde es dann gar nicht geben, weil auch in Frankreich niemand je von ihr gehört hätte.

Oder Françoise Hardy, die 1962 auf ihrem Debüt-Album alle 12 Lieder komplett selbst schreiben durfte. Und das Album erschien noch ein halbes Jahr vor der Debüt-LP der Beatles - von denen man ja weiß, daß sie als erste Band jemals das Recht erstritten, ihre Alben alleine zu schreiben (und das schon mit ihrer dritten LP, nur wenige Jahre später).

Man stelle sich vor, das wäre nicht gesetzlich vorgeschrieben gewesen, mit einer festen Quote. Keine Janis Joplin, keine Sandy Denny, keine Joni Mitchell, und heute hätte niemand je etwas von Madonna oder Lady Gaga gehört.

Aber so hart es auch klingen mag: Wir leben nun mal im Kapitalismus, und zum Kapitalismus gehört, daß die kommerziellen Firmen niemals das machen, was ihnen den größten Profit verschafft - sondern immer nur das, was ihnen eine finstere Verschwörung befiehlt. Und da verzichten sie gerne auf die eine oder andere Milliarde - ist ja nur Geld.

</satire>

Ich komme aus einer anderen Zeit und wurde nicht unerheblich dadurch geprägt, daß "Gender" keinerlei Rolle gespielt hatte. Im Post-Punk Underground der späten 70er und frühen 80er Jahre gab es nichts Unerheblicheres als die Frage, wer welche Chromosomen hatte und für welche anderen er, sie oder es sich interessierten. Die Shop Assistants, eine Indieband aus Edinburgh, die für eine Saison weltweit die KönigInnen waren, da sie die Trauer, Wut und Melancholie einer verlorenen Generation schottischer Jugendlicher (völlig ohne Gender-Hintergrund) in betörenden Wall-of-Sound Orgien reflektierten, waren 3 Mädels und ein Kerl. Der Kerl spielte Gitarre, weil er ein Kumpel war und Gitarre spielen konnte - sonst hätte es auch eine Frau werden können, und alternativ vielleicht zwei Kerle am Bass und am Mikro. Oder nur Kerle oder nur Mädels. Es war, schlichtweg, SCHEISSEGAL. Ihnen, und uns.



Ein englischer Kollege schrieb damals über die Slits ein grandioses Zitat: "Es spielte keine Rolle, daß sie Frauen waren, aber es spielte eine Rolle, daß das keine Rolle spielte".

Für ein paar Jahre hatte er Recht, aber selbst die Slits bekamen am Ende doch noch Gegenwind. Und zwar... vom Feminismus.

Gegen Ende ihrer Karriere spielten sie mal in Berlin, mit-organisiert von der Uni, und dort bekamen sie die geballte Wucht des organisierten Feminismus in die Fresse. Sie würden sich "sexistisch" kleiden, weil sie mit Röckchen auf die Bühne kamen, und sollten sich doch bitteschön in neutrale Klamotten werfen. Wer Ari Up kannte, wußte was dann passierte... Und dann natürlich das Plattencover ihres Debuts... "dess geht ja gah nedd". Damals war das (nur) Sexismus, inzwischen kommt natürlich noch "kulturelle Aneignung" dazu. Und von den Frisuren reden wir mal gar nicht erst.

Nun, was lernen wir daraus?

Frauen in der Rockmusik, die irgendwie "besser" waren als die Männer, scheinen es irgendwie mysteriöserweise auch immer geschafft zu haben. Und daß es weniger Frauenbands gibt, als Männerbands, hat offenbar zur Folge, daß weniger Frauenbands auftreten, als Männerbands.

Die Frage lautet jetzt: Wollen wir eher eine Quote, daß weit mehr Frauen auf die Bühne kommen, als es anteilig überhaupt Frauen in der Rockmusik gibt? Und ungeachtet ihrer Qualität und Beliebheit?

Oder wollen wir eher Mädchen ermutigen (oder nötigen), selbst Musik zu machen. Vielleicht wäre dann ein Festival namens CNTS die bessere Idee, wo nur unbekannte Amateurinnen auftreten?

Oder wollen wir am Ende, daß am besten genau all diejenigen Rockmusik spielen, die es aus eigenen Stücken wirklich WOLLEN?

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Stuntman_Dan
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Ungelesener Beitrag von Stuntman_Dan »

Also irgendwie hatte ich mit so einer oder so ähnlichen Replik von dir schon gerechnet. :kicher:

Es geht hier ja nicht nur um Rockmusik, das ist ein genreübergreifendes Problem. Und dass es overall mehr Musiker als Musikerinnen geben soll, stimmt so einfach nicht.

Ungleichbehandlung von Frauen und Sexismus sind leider nach wie vor gesellschaftliche Realität. Die ganzen Musikerinnen, Singer-Songwriterinnen, Produzentinnen, die in der Doku zu Wort kommen und von ihren Erlebnissen und Wahrnehmungen berichten, denken sich das ja nicht aus und sind auch nicht zu sensibel, wie das von Vielen immer noch gern abgetan wird.

Es geht hier auch nicht vordergründig um die Einführung einer Quote, sondern einfach um ein Umdenken, so dass die zweifellos zahlreich vorhandenen Musikerinnen sichtbarer gemacht werden und bessere Chancen erhalten, sich auch zu zeigen. Was die Künstlerinnen dann daraus machen, liegt dann wieder bei Ihnen selbst.

Klar, wenn alles andere nicht hilft, bleibt ja nur noch die Einführung einer Quote. Ich bin ehrlich gesagt auch kein großer Fan davon. Ich glaube lieber an die Lernfähigkeit, Einsicht und Vernunft der Menschen. ich weiß, das hört sich ziemlich utopisch-optimistisch an.

Wenn also eine Carolin Kebekus daherkommt und sich bemüht eine Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für diese Thematik zu schaffen, dann begrüße und unterstütze ich das.

Und wenn dann dieses Thema tatsächlich zum Beispiel beim Festivalchef von Rock am Ring auf die Agenda rutscht und es im nächsten Jahr dann ein weiblicheres Lineup gibt... umso besser. Dann hat es ja schon was gebracht. :)

Daher erneut mein Appell: Schaut euch die Doku an. Bildet euch eure eigene Meinung.

Ich jedenfalls werde nicht aufhören euch mit diesem Thema zu nerven und freue mich dann schon auf die nächste Satire von Martin. ;)
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Erzengel
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Ungelesener Beitrag von Erzengel »

Ich habe 24 Stunden mit mir gerungen, hier etwas zu schreiben, dann war Martin schneller :kicher: .

@Stuntman_Dan … natürlich ist Sexismus eine gesellschaftliche Realität, immer noch. Das gilt aber dennoch nicht pauschal. In der Bildenden Kunst haben Frauen über Jahrhunderte sicherlich kaum eine Rolle gespielt, auch nicht in der Klassischen Musik und das lag sicher an den gesellschaftlichen Verhältnissen, an der Ausbildung und nicht am Talent.

Aber in der populären Musik? Bis Ende der 70er Jahre war das meistverkaufte Album nicht von den Beatles oder Stones oder Dylan, sondern von Carole King („Tapestry“), Abgelöst wurde es dann von „Rumours“ von Fleetwood Mac, das von den Kompositionen von Christine McVie und Stevie Nicks geprägt wurde.

Und heute … Kate Bush schafft es auf Platz 1 in diversen Ländern, weil ein guter und zeitloser Song auch nach 37 Jahren ein guter und zeitloser Song bleibt. In den letzten 10 Jahre (ich habe es nicht genau nachgeschaut), dürften Adele und Taylor Swift weltweit die meisten Platten verkauft haben. In der Klassischen Musik sind Künstlerinnen seit Jahren sehr erfolgreich, sei es als Sängerinnen oder Solistinnen.

Für mich ist die Aktion kalter Kaffee. Ich denke auch, dass sich Qualität durchsetzt und Frauen längst auf der Main Stage stehen. Oder böse ausgedrückt - die Künstlerinnen, die im Text unter deinem Link gennant werden, brauchen vielleicht eine Quote, aber bessere eben nicht. Frag mal Helene Fischer, die mir künstlerisch gar nichts sagt, aber sie ist in Deutschland sehr viel erfolgreicher als jeder Mann und brauchte auch keine Quote, sondern nur die clevere Idee, Fans aus verschiedenen Geschmacksrichtungen zusammenzuführen.

Und noch einmal zur Gesellschaft allgemein: in meinem Fach, in der Medizin, wird inzwischen über eine Männerquote nachgedacht. Frauen machen seit Jahrzehnten schon durchschnittlich das bessere Abitur. Sie schnappen sich mehr als 70 % der Studienplätze, arbeiten aber oft in Teilzeit oder lassen sich von den Nachtdiensten befreien. Und dann fragen sich die Leute, warum es mit dem Arzttermin nicht schneller geht. Antwort: zu viele Frauen. Ist tatsächlich so.

Ich habe selber eine 19-jährige Tochter und natürlich tue ich alles dafür, dass sie die selben Rechte und Möglichkeiten hat wie mein 17-jähriger Sohn. Aber Quoten (und grammatikalische Diskussionen - don‘t get me started) helfen der Gleichberechtigung m.E. nicht.
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Erzengel
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Ungelesener Beitrag von Erzengel »

P.S. was die Festival betrifft: ein Programm kann man ja auch nicht beliebig aus dem Ärmel schütteln. Wenn nächstes Jahr Modonna ein neues Album rausbringt oder Adele, sind sie wahrscheinlich Headliner bei Rock am Ring. Aber wenn U2 tourt, werden sie es vielleicht auch werden. So what?

Und mal ganz ehrlich: was soll so ein Festivalleiter auch sonst sagen? Wehe, er wagt es, das ganze nicht für eine gute Idee zu halten, dann ist morgen Shitstorm, übermorgen entschuldigt er sich und am Mittwoch wird er (weil die Entschuldigung heute nichts mehr gilt) durch Carolin Kebekus ersetzt. Dann spielt Judith Holofernes als Headliner, es kommt kein Schwein in die Eifel, aber alles ist gut …
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Ungelesener Beitrag von Stuntman_Dan »

Oh je... eigentlich wollte ich nur ein wenig auf dieses Thema aufmerksam machen. Das scheint mir ja ganz gut gelungen zu sein, so wie euch das triggert. :kicher:

"Quote" scheint hier das böse Wort zu sein. Nochmal, ich bin auch nicht für die Einführung einer Quote und ich bin mir sicher, die meisten Musikerinnen wollen das auch nicht. Das ist auch nicht das Ziel dieser Aktion. Das Ziel ist, dass das Geschlecht in Zukunft eben kein Thema mehr ist.

Ich höre hier auch immer wieder das Argument, dass es doch schon so viele erfolgreiche Musikerinnen gibt. Ja natürlich, es gibt eine ganz lange Liste mit unfassbar erfolgreichen Künstlerinnen. Es hat auch nie jemand das Gegenteil behauptet.
Dennoch ändert das nichts an den bestehenden Strukturen im Musikbusiness, die nach wie vor zu großen Teilen von Sexismus und Ungleichbehandlung von Frauen geprägt sind. Klar kann man auch einfach das Gegenteil behaupten, aber die Berichte der Betroffenen und die Zahlen sagen was Anderes.

Man kann auch einfach behaupten, dass die in der Doku vorkommenden Musikerinnen einfach nicht gut genug sind. Da spielt es denn auch keine Rolle mehr, was sie an Ungleichbehandlung und Sexismus in der Branche erlebt haben, da es MINE, Lea, Annie Chops, Kuoko, Ebow und co. ja eh nicht drauf haben. Ansonsten wären sie ja schon längst da, wo Helene Fischer jetzt ist...
Halte ich aber auch nicht so viel von.
Erzengel hat geschrieben: 26. Jun 2022, 08:26 P.S. was die Festival betrifft: ein Programm kann man ja auch nicht beliebig aus dem Ärmel schütteln. Wenn nächstes Jahr Modonna ein neues Album rausbringt oder Adele, sind sie wahrscheinlich Headliner bei Rock am Ring. Aber wenn U2 tourt, werden sie es vielleicht auch werden. So what?
Da hätte ich mal eine ganz radikale Idee... um bei deinem Beispiel zu bleiben, dann kann man doch Adele UND U2 zu Headlinern machen.
Erzengel hat geschrieben: 26. Jun 2022, 08:26 Und mal ganz ehrlich: was soll so ein Festivalleiter auch sonst sagen? Wehe, er wagt es, das ganze nicht für eine gute Idee zu halten, dann ist morgen Shitstorm, übermorgen entschuldigt er sich und am Mittwoch wird er (weil die Entschuldigung heute nichts mehr gilt) durch Carolin Kebekus ersetzt. Dann spielt Judith Holofernes als Headliner, es kommt kein Schwein in die Eifel, aber alles ist gut …
Ja klar, das weiß auch Carolin Kebekus, deswegen hat sie es ja gesagt. ;)
Aber im Ernst, niemand erwartet, dass Rock am Ring ein zweites DCKS Festival wird. Es geht darum bei der Planung einfach mal von vornherein in alle Richtungen zu denken und zu überlegen, welche weiblichen oder gemischten Acts als Headliner in Frage kommen könnten und nicht erst dann, wenn ein (männlicher) Headliner absagt.

Zum zweiten Teil deines Statements: Angesichts der Tatsache, dass es "Wir sind Helden" seit 2012 nicht mehr gibt und Judith Holofernes als Solokünstlerin eher kleinere Brötchen backt, magst du sogar Recht haben.
Ansonsten impliziert deine Aussage, dass mit einer Festivalleiterin und einem weiblichen Headliner alles den Bach runtergehen wird. Da halte ich dagegen und behaupte, dass es genug Schweine in die Eifel ziehen wird, die sich von einem weiblichen Headliner nicht abschrecken lassen und ja, alles ist gut...
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Erzengel
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Ungelesener Beitrag von Erzengel »

Stuntman_Dan hat geschrieben: 27. Jun 2022, 00:01"Quote" scheint hier das böse Wort zu sein. Nochmal, ich bin auch nicht für die Einführung einer Quote und ich bin mir sicher, die meisten Musikerinnen wollen das auch nicht. Das ist auch nicht das Ziel dieser Aktion. Das Ziel ist, dass das Geschlecht in Zukunft eben kein Thema mehr ist.
Jeder *Ismus ist schlecht (naja, nicht jeder, Opti- und Pessi- schliesse ich mal aus), aber Du weisst, was ich meine. Ich sage eben nur, dass meiner Meinung nach Quoten und Änderungen im Sprachgebrauch nichts an der Realität ändern. Sie führen, glaube ich, auch nicht zu einem Umdenken, sondern teilweise eher zu Verwirrung, teilweise zu meiner Erheiterung und sind tatsächlich, so hoffe ich, nicht von Dauer. Denn die Sprache an sich leidet.

Im Englischen versteht jeder, wenn ich sage „Hilary Mantel is the greatest living writer“ (das ist übrigens wirklich meine Meinung). Wenn ich auf Deutsch sage „Hilary Mantel ist die beste lebende Schriftstellerin“ könnte ich auch meinen, dass es aber 10 bessere Schriftsteller gibt. Und Schriftsteller*in kannst Du schreiben, wenn Du das willst, aber nicht so gut sprechen und es ist, so habe ich gehört, schlecht in Braille umsetzbar, und benachteiligt damit die Blinden. Schreibende ist Blödsinn und auch ungenau, weil erstens damit alle Personen gemeint sind, die gerade in dieser Sekunde schreiben (aber wenn sie den Stift hinlegen oder den iPad zuklappen, sind sie keine Schreibenden mehr). Gilt auch für Studierende, Radfahrende etc.

Komisch wird es eben, wenn man von tödlich verunglückten Radfahrenden schreibt, weil das sind eigentlich Zombies. Oder das Wort Schwarzfahren verbietet wie in Berlin, obwohl der Begriff mit der Hautfarbe nicht einmal etymologisch zu tun hat. Oder wenn Anna Calvi (tolle Musikerin und Gitarristin) sich über das quasi Verbot von Abtreibungen in den USA empört (und natürlich zurecht) und schreibt „A bad day for any person with a uterus“ - nö, mit Verlaub: es ist ein schlechter Tag für alle (!), mit und ohne Uterus, speziell aber für Frauen diesseits der Menopause.

Ich bin für 100% Chancengleichheit und Gleichbehandlung und gegen jede Form von Ausgrenzung. Aber, solange wir unsere Kinder nicht komplett im Reagenzglas zeugen und sie anschliessend in einer Institution großgezogen werden, sprich, solange es Sex, Mutter- und Vaterschaft gibt, wird das Geschlecht auch eine Rolle spielen. Alles andere wäre der Tod der Kultur, so wie wir sie kennen und zwar nicht nur der *Ismen, sondern jeder Kultur. Ist ein Text von Mylène ohne die Existenz von Geschlechtern denkbar?
Stuntman_Dan hat geschrieben: 27. Jun 2022, 00:01Da hätte ich mal eine ganz radikale Idee... um bei deinem Beispiel zu bleiben, dann kann man doch Adele UND U2 zu Headlinern machen.
Sorry, Hausaufgaben machen! Adele und U2 gab es noch nicht, aber Adele und Muse 2016 oder in diesem Jahr Paul McCartney und Bilie Eilish, nur um mal zwei Beispiele zu nennen.
Stuntman_Dan hat geschrieben: 27. Jun 2022, 00:01Ansonsten impliziert deine Aussage, dass mit einer Festivalleiterin und einem weiblichen Headliner alles den Bach runtergehen wird. Da halte ich dagegen und behaupte, dass es genug Schweine in die Eifel ziehen wird, die sich von einem weiblichen Headliner nicht abschrecken lassen und ja, alles ist gut...
Nein, sie impliziert nur, dass wir gute Headliner brauchen und nicht welche, die dort per Quote landen.

Versteh mich nicht falsch, aber das Thema Sexismus und Rassismus und die Benachteiligung ist ja nicht neu und (um mal die Oscars zu nennen), wenn mehrere Jahre lang gesagt wird, dass zu wenige Frauen und Nicht-Weisse gewinnen, dann würde ich mich als Jane Campion oder Will Smith schon fragen, habe ich den Preis jetzt wegen meiner Leistung gewonnen oder war ich nur Quote?

Ist dann auch irgendwie unbefriedigend.
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

Jetzt bin ich froh, daß diesmal Du geantwortet hast und ich nicht mußte... :kicher:

Obgleich es vermutlich müßig ist, denn diese Debatte basiert ja nicht wirklich auf der Realität, und insofern können wir hier herumstreiten bis ans Ende aller Zeiten, ohne jemals einen zu überzeugen. Die einen arbeiten selber in der Branche und beobachten über Jahrzehnte was in der "ist"-Realität passiert, die anderen informieren sich im Internet und propagieren wie die "soll"-Realität aussieht. Zusammen kommen wir in diesem Punkt in diesem Leben nicht mehr.

Aber eins möchte ich noch graderücken, bzw. präzisieren:
Stuntman_Dan hat geschrieben: 27. Jun 2022, 00:01 Ansonsten impliziert deine Aussage, dass mit einer Festivalleiterin und einem weiblichen Headliner alles den Bach runtergehen wird.
Au contraire, mon capitaine, ich spreche da jetzt einfach auch für den Erzengel. Niemand von uns denkt, daß ein solches Festival den Bach runterginge, wenn es von "einer Frau" geleitet würde. Wir denken lediglich, daß es den Bach runtergeht, wenn es von einer Person (jeglicher Chromosomen) wie Frau Kebekus geleitet würde, und zwar *nicht* weil sie eine Frau ist, sondern weil wir sie schlicht und einfach für fachlich inkompetent halten.

Und der Grund für diese Einschätzung ist ebenfalls nicht, weil sie "Frau" ist, sondern weil sie offenkundig Tatsachenbehauptungen aufstellt, die der "ist"-Realität widersprechen, wie sie sich denjenigen tagtäglich darstellt, die tatsächlich in der Musikbranche arbeiten. Und die Lebenserfahrung hat uns allen mehr als einmal gezeigt, daß (im weitesten Sinne "politische") Maßnahmen, die auf falschen Voraussetzungen basieren, im günstigsten Fall sinnlos Unmengen an Geld verbrennen (die die Musikkultur nach 2 Jahren Corona absolut nicht mehr hat), und im ungünstigsten Fall damit sogar noch weiteren Schaden anrichtet.

Die These, daß es "genausoviele Frauen in der Rockmusik gibt wie Männer" und diese in der Masse alle den gleichen Status, das gleiche kapitalistische Profitpotential und die gleiche Marktwirkung haben, und daß es für jede Metallica und jede Toten Hosen eine gleichrangige weibliche Band mit gleichem Status gibt, die nur vorsätzlich nicht gebucht werden, weil es eine perfide Konspiration von Männern gibt, die auf Milliarden an Gewinn verzichten, nur um Frauen "klein zu halten" - diese These ist eine Verschwörungstheorie, nicht mehr und nicht weniger. Und über Verschwörungstheorien zu streiten ist zweckfrei - keine Seite wird die andere jemals überzeugen können.
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Ich wollte wirklich keine ausufernde Gender- und Gleichberechtigungsdebatte lostreten, sondern einfach nur einen kleinen Denkanstoß geben. Außerdem fand ich die Doku und das Festival ganz unterhaltsam. :kicher:

Was Erzengel jetzt noch zu Sprache und Gendern und welche Worte und Begriffe man jetzt nicht mehr benutzen darf, geschrieben hat... da bin ich voll bei dir. Ich habe z.B. gar nicht mitbekommen, dass man in Berlin nicht mehr Schwarzfahren sagen darf, obwohl ich hier lebe, aber das passt sowas von. :vomstuhlfall:
Erzengel hat geschrieben: 29. Jun 2022, 08:01
Stuntman_Dan hat geschrieben: 27. Jun 2022, 00:01Ansonsten impliziert deine Aussage, dass mit einer Festivalleiterin und einem weiblichen Headliner alles den Bach runtergehen wird. Da halte ich dagegen und behaupte, dass es genug Schweine in die Eifel ziehen wird, die sich von einem weiblichen Headliner nicht abschrecken lassen und ja, alles ist gut...
Nein, sie impliziert nur, dass wir gute Headliner brauchen und nicht welche, die dort per Quote landen.
Sorry, ich hatte deine Aussage in der flapsigen Art einfach mal so interpretiert, aber das habt ihr ja klargestellt. Vielen Dank dafür.

Kann ich auch zu 100% unterschreiben. Mir ging es nur darum, dass man vorher vielleicht etwas weiter und ergebnisoffener schaut als bisher, welche weiblichen/gemischten Acts für das Lineup oder sogar als Headliner in Frage kommen könnten. Wenn man dann keine findet oder sich niemand anbietet, bei denen es passen könnte, dann ist das eben so. Ich halte auch nichts davon, dann quotenmäßig irgend jemanden reinzuschieben.

Zum Abschluss möchte ich zu einer Sache dann doch nochmal Stellung beziehen.
Carolin Kebekus und ihrem Team Inkompetenz und falsche Tatsachenbehauptungen zu unterstellen, finde ich zumindest mal problematisch und auch ein bisschen unfair. Ich meine, die Protagonisten in der Doku arbeiten auch alle tatsächlich in der Musikbranche und haben tagtäglich ihre Erfahrungen und Beobachtungen gemacht. Auch die Statistiken und Zahlen sind ja nicht aus der Luft gegriffen. Wie man diese dann interpretiert ist wieder eine andere Frage.
Ein kleiner Vorschlag von mir, wie man sich vielleicht doch etwas annähern kann: offen sein, zuhören, ernst nehmen und dann ggf. doch das Ein oder Andere hinterfragen. Vielleicht kann man ja doch noch hier und da etwas verbessern.

Anyway... wir mögen unterschiedlicher Meinung sein und in Teilen andere Ansichten haben. Ich danke euch aber für euer Feedback und den regen Austausch! :)
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Noch ein kleiner Nachtrag:
Ziemlich genau nachdem ich gestern meinen letzten Beitrag gepostet hatte, zufällig bei TV total reingezappt. Es geht nur um eine kleine Sequenz am Anfang von ca. 1:30 - 2:15. Ich musste so lachen... :lol:

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