Innamoramento – Übersetzungen

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danny
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Innamoramento – Übersetzungen

Ungelesener Beitrag von danny »

Und schon geht's weiter ... :)

Entstehende Liebe [L'amour naissant]

Welche Welt hat nicht den Atem des Nichts gekannt,
spürte die Rührungen der „Mächte der Ewigkeit“? Sag,
welches Haus hat noch nie um ein Kind geweint?
Welcher Engel ist nicht schon vor der Schönheit des Sonnenuntergangs gefallen?

Wie schwindelerregend ist unser Atem jetzt?
Das Anathema* ist schwer, die brennenden Eide sind störend. Sag,
Welche Frau ist nicht schon in ihren Tränen ertrunken?
Das Meer ist kalt, mein Leben als Ryans Tochter.**
Du bist die entstehende Liebe.
Eingraviert in den Stein,
Stele der Liebenden ...
Sieh, wie schwer es ist, wie langsam.
Es ist eine Waffe, Vater,***
[eine] zu mächtig[e] ...
Wie Irland seine Legenden vergessen möchte.
Ich bin bewegt von seinen „Mächten im Innern“. Sag,
was für ein Nervenkitzel ist, mich in seinem Leib auszulöschen?
Das Meer ist kalt, mein Leben als Ryans Tochter.**
[Chorus] [3x]
–––––––––––––––

* Anathema: Kirchenbann/Bannfluch, erschien bereits im Text zu Regrets
** Ryans Tochter: Film aus dem Jahr 1970
*** Vater im Sinne von „Vaterunser, der du bist im Himmel ...“
L'amour de ma vie, c’est mélancolie.
danny
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Innamoramento – Übersetzungen

Ungelesener Beitrag von danny »

Das Seele-Mene-Muh* [L'Âme-Stram-Gram]

In mir, in mir [bist] du, den ich liebe.
Sag mir, sag mir, wenn es nicht so ist.
Es ist das Einzige, was uns beherrscht.
Sag mir: Wie oft noch?

[Ich] teile meine abgrundtiefe Langeweile
mit der ersten Person, die es banal findet.
Ich höre alles, was du beichtest –
und die Schar skandiert den Rausch.
Ich höre all diejenigen, die du verurteilst
Du wirst erschöpft sein, du wirst charmant sein.
Das ist „das Seele-Mene-Muh“.
In mir, in mir [bist] du, den ich liebe.
Sag mir, sag mir, wenn es nicht so ist.
Es ist das Einzige, was uns beherrscht.
Sag mir: Wie oft noch?

In mir, in mir, du, den ich liebe.
Sag mir, sag mir, wenn es nicht so ist.
Einmischender und gleitender Unterleib
in meiner eigenen Körperöffnung.
Die Abwesenden, eine Hummel, ein freundliches Ohr,
Zuversicht auf der Couch, wir psychoanalysieren uns.
Ich höre alles, was du flüsterst –
und die Schar schlägt das Maß.
Ich höre deine ödipalen Komplexe –
und die Schar manifestiert sich.
Das ist „das Seele-Mene-Muh“.

Seele-Mene-Muh
Pik und Pik und colégram**
Stopf und stopf und ratatam**
Seele-Mene-Muh, Pik Dame

Seele-Mene-Muh
stich, stich mir in die Seele***
vollgestopft, vollgestopft mit männlichen Knoten***
Seele-Mene-Muh, Pik Dame
[Chorus] [3x]
In mir, in mir [bist] du, den ich liebe.
Sag mir, sag mir, wenn es nicht so ist.
–––––––––––––––

* L'Âme-Stram-Gram: Es handelt sich um ein Wortspiel von Mylène mit Bezug auf einen französisches Abzählreim mit dem Titel „Am Stram Gram“. Dieser bildet zeitgleich auch die Bridge des Liedes. Das deutsche Pendant dazu ist „Ene Mene Muh“.
** Da es sich bei der Bridge um den Abzählreim handelt, lässt es sich nicht komplett übersetzen (oder gar reimen). Gerade die Wörter „colégram“ und „ratatam“ gibt's im Französischen nicht. Sie dienen lediglich dem Reim.
*** Beim zweiten Vierzeiler hat sie zudem die Originalwörter des Reims durch sehr ähnlich klingende Wörter ersetzt: pique (Pik) -> pique (stechen); bourre (Imperativ von stopfen) -> bourée (volgestopft sein)
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MartinC
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Innamoramento – Übersetzungen

Ungelesener Beitrag von MartinC »

Nun... eigentlich wollte ich zu den Übersetzungen nichts beitragen, weil ich es einmal absolut toll finde, es zu versuchen - und ich jeden nur ermutigen kann, sich damit zu beschäftigen, ich aber selber andererseits extrem skeptisch bin... ich spreche kaum Französisch, aber (so wie es sich ergeben hat) ganz gutes Straßenenglisch, weil ich es ebendort auch erlernt habe (Schule -> Tonne).

Und je mehr ich anfing, Englisch zu verstehen, umso weniger hatte ich den Anreiz, zu übersetzen... Informativer Text und auch Interviews, gerne, aber Lyrik? Je mehr ich verstand, wie "Bedeutungswolken" funktionieren, und wie völlig inkompatibel sie zwischen Sprachen sind, umso mehr merkte ich, wieviel ich mit dem Metzger-Beil anrichte, wenn ich versuche, Poesie zu übertragen. Denn eine "Übersetzung" funktioniert da ohnehin nie, übersetzt man den Text, vernichtet man den Subtext, und versucht man, alle allfälligen Bedeutungsebenen irgendwie im Deutschen neu aufzubauen, umso weniger hat der Text noch irgendwas mit dem Original zu tun...

Der Grund, warum ich das jetzt in den Ring werfe, ist, daß L'âme-stram-gram der mit Abstand kryptischste Text ist, den Madame jemals geschrieben hat. Die Dichte an Nebenbedeutungen, Wortspielen, phonetische Anklänge liegen irgendwo bei 8 auf der nach oben offenen James Joyce Skala.

Es gab vor vielen Jahren eine berühmte Internet-Platform eines Kanadiers, "mf-international.com". Dort haben einige Franko-Kanadier, die von klein auf zweisprachisch aufgewachsen sind und folglich mit den Untiefen beider Sprachen vertraut waren, versucht, Farmers Texte ins Englische zu übersetzen. Dabei wurde sehr intensiv auf die Subtexte und Nebenbedeutungen eingegangen, und die unübersetzbaren Passagen zumindest dokumentiert.

Der begabteste Analytiker und Übersetzer war ein gewisser "Kiouty", der sich nach langem Zögern auch L'âme-stram-gram angenommen hatte, bzw. es mit drei anderen zusammen anging. Nach seiner Einschätzung handelt der Text von zwei völlig unterschiedlichen Bedeutungsebenen gleichzeitig, und zwar von einem Paar, das sich entweder wahlweise/wechselseitig psychoanalysiert, oder ziemlich heftigen Geschlechtsverkehr hat. Beides überlagert sich, und es ist nicht klar entscheidbar, was davon der Text und was der Subtext ist. Wie gesagt, Madames Lyrik ist hardcore... :pfeif:

Tragischerweise ist der Betreiber von mf-international.com irgendwann schwer erkrankt und die Website war monatelang zerschossen offline. Dann kam er aus dem Krankenhaus zurück, die Website lief wieder wenige Tage, und dann verschwand er endgültig und ist (meines Wissens) verstorben. Die Zugangsdaten nahm er mit ins Grab, und so ist die Website heute schon seit Jahren nicht mehr konnektierbar. Und noch tragischerweise wurden die Inhaltsseiten nicht in die Wayback Machine von archive.org aufgenommen. Daher kann ich die Seite hier nicht online verlinken.

Ich hatte aber aus eigenem Interesse und auch zur Unterstützung meiner Artikel damals den größten Teil der Übersetzungs-Threads herausgesichert, und da heute absolut niemand mehr von den Leuten erreichtbar ist, poste ich hier jetzt einmal die Übersetzung von Kiouty, auch wenn ich ihn nicht um Erlaubnis fragen kann...

Disclaimer: Dear Kiouty, in the unlikely event that you find this posting, we try to translate Mylène's lyrics into German here and I remembered your great combined work on mf-international.com. The site is gone and I found no way to contact you, so I post your text here without permission, but I think/hope that you wouldn't mind... and we should actually re-launch some "mf-international.com" again... ;)

Kiouty:

OK here is – finally – the “L’âme-stram-gram” song translation !
I don’t have much to do with it, actually I id the first version, and then submitted it to H, Kam and Ricky.

H did the most complete version, and that’s the one that deserves to be posted, his work is fantastic !

So thank you H, that was awesome.

Thank you Ricky too for your contribution !

**Update : Post edited according to Kam's last minute suggestions !! Thanks buddy !

I love this kind of collaboration ! That was tough, but we managed to do it !
I’ve added comments from the french version, as most of the puns and also the atmosphere of the song are almost impossible to transfer to english...
OK, here you go :

L’âme-stram-gram - Mylène Farmer

Translating the title was our first problem.
« Am-stram-gram-pique-et-pique-et-colégram-bourre-et-bourre-et-ratatam-am-stram-gram-pique-dame » is the french version of the chant equivalent to the english song « eenie mynie moe… » sung by kids when they want to randomly choose a volunteer for some game.
Instead of “am”, which doesn’t make sense in itself, Mylène put “âme” which means “soul”.
So there is a pun : the title evokes the ideas of game, of randomness and the idea of soul. So it’s up to everybody to interpret it the way they want...

En moi, en moi toi que j'aime,
Dis-moi, dis-moi quand ça n'va pas,
Il n'y a que ça qui nous gouverne,
Dis-moi combien de fois ?

In me, (get) in me, you whom I love
Tell me, tell me when things aren't right,
It is only that which governs us,/There is only this which governs us
Tell me how many times...?

« That » or "this" on the third line refers to sex, obviously in french. But on another level, “Ca” also refers to the pyschic instance “id” from psychanalysis theory. Id, ego and superego are three parts of our psychism. Superego is the instance were rules and moral are integrated, it knows what things and acts are forbidden, id is the instance of impulses (want to have sex, want to kill, want to eat), and ego is the instance that helps superego and id to merge, so we are civilized people that know how to satisfy themselves.
So when mylene uses “Ca”, she makes a pun with sex, but also the “id” which is deeply related to sex. I know this is true, because she’s talking about psychoanalysis in this song, see the next lines.

“Tell me how many times” is also a problem : on a basic level, it’s “tell me how many times you want to have sex”, but then, I read some stuff about how many times do human beings repeat the same mistakes all over again, random sex being one of these mistakes. But just writing “tell me how many times” just sounds too vague for english, when vagueness is accepted in french and makes the text richer with meanings…

Partager mon ennui le plus Abyssal,
Au premier venu qui trouvera ça banal
J 'ouïs tout ce que tu confesses,
Et l'essaim scande l'ivresse

Sharing my most Abyssal boredom,
With the first who finds it banal
I pleasure in your asinine confessions
And the swarm chants drunken ecstasy


Comments of kiouty :
Lots of puns in this one : “j’ouïs” = I hear, but it sounds like “jouis” meaning “I have an orgasm”.
“Tu confesses” means you confess (to your psychanalist, I think that’s what she means), but “con” means stupid in french, AND also vagina in older slang. “Fesse” obviously means butt.
About “l’essaim” (the swarm : the bee figure in this song is absolutely disorientating for me : don’t have a clue what it stands for, so that’s one of the problems).
Also, “l’essaim” sounds like “les seins”, which means the boobs…
Last problem in this paragraph : ivresse. Drunkkeness rimes with confess in english, so it looks like a nie possibility, but ivresse, in french, is a lot deeper : you can be “ivre” with love, with “happiness”, it sorts of emphasize your feelings in a positive extreme way

Comments of H :
I tried to capture the idea of "j'ouis/jouis" by saying "I pleasure in," which expresses the notion both of receiving something (by ear) as well as sexual gratification. Note that saying "I pleasure in" is probably not correct English; you'd usually say something like "I take pleasure in...." (though saying "I pleasure in" will be understood as a contracted form of the latter, and if anything else, it is stylistically richer). Saying "I delight in" is correct English, but it doesn't carry the heavier sexual connotation.

J'ouïs tous ceux que tu condamnes
T'éreintent, te font du charme :
C'est « l'âme-stram-gram »

I pleasure in all those you condemn
Exhausting you, seducing you:
It's the "ame-stram-gram"

Again, pun with “jouis”
“Faire du charme a quelqu’un” means trying to seduce someone, using your own charm.
“turning the charm on” is just blah !!
T’éreintent = exhausting you. But again, sexual reference : “tes reins” means your hips…

En moi, en moi toi que j'aime,
Dis-moi, dis-moi quand ça n ' va pas,
Il n'y a que ça qui nous gouverne,
Dis-moi combien de fois

In me, (get) in me, you whom I love
Tell me, tell me when things aren't right,
It is only that which governs us,
Tell me how many times...?

En moi, en moi, toi que j'aime,
Dis-moi, dis-moi quand ça ne vas pas,
Immisce et glisse l'abdomen
Dans l'orifice à moi

In me, (get) in me, you whom I love
Tell me, tell me when things aren't right,
Engage and ease/slide in the abdomen
Into my orifice

Des absents, un bourdon, une oreille amie,
Confidence sur divan, on se psychanalyse
J'ouïs tout ce que tu susurres,
Et l'essaim bat la mesure,

The absent ones, a bumblebee, a friendly ear,
Confidences on a couch, we psychoanalyze each other
I pleasure in all you whisper,
And the swarm throbs in time,

“one friendly ear”, in french means someone who’s willing to listen to you in a friendly way. This kind of figure is often used in french : pointing out some object, person or animal or anything just by mentioning one of its components. Relate it to "lend an ear in english".
Couch = couch on which one lies when going to a psychanalysis session…
Puns, more puns : j’ouïs, of course, and in "susurres”, one pervert guy like me might hear “suce” which means tu suck, like sucking you know what. Especially the way she says it during the sound makes this particularly sexual.

J 'ouïs tes oedipes complexes,
Et l'essaim se manifeste :
C'est " l ' âme-stram-gram "

I pleasure in your Oedipus complexes,
and the swarm exposes itself:
It's the "ame-stram-gram"

“Oedipes” refers to this period in the childhood, when kids, especially boys, realize they aren’t in total fusion with their mothers, and realize they have to compete with their father who’s a rival between the kid and his mother. Does that notion exist in english, I mean of course it exists, but is it well known enough for people to understand “I hear your complex oedipuses” (which doesn’t makes sens in french either, like some typical Mylene homemade line)

L'âme-stram-gram
Pique et pique et colégram,
Bourre et bourre et ratatam,
L ' âme-stram-gram ,
Pique dame,
L ' âme-stram-gram , pique-moi dans l'âme,
Bourrée bourrée de nœuds mâles,
L ' âme-stram-gram pique dames.

This is not translatable...
At first, she sings the regular kid’s chant, BUT also, “bourre” means having wild sex, like “humping”, so there is still a sexual connotation, which becomes obvious in the second part, where Mylene is turning the song in an obviously sexual way, too obvious for me, it’s almost vulgar : “noeuds” is an old slang for dick, and she emphasizes it by joining “mâles”. Also, Bourrée de noeuds males means she’s full with dicks…

Last edited by kiouty on Sun Dec 28, 2003 11:04 am; edited 1 time in total
danny
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Ungelesener Beitrag von danny »

MartinC hat geschrieben: 30. Sep 2021, 11:53 ich aber selber andererseits extrem skeptisch bin... ich spreche kaum Französisch, aber (so wie es sich ergeben hat) ganz gutes Straßenenglisch, weil ich es ebendort auch erlernt habe (Schule -> Tonne).

Und je mehr ich anfing, Englisch zu verstehen, umso weniger hatte ich den Anreiz, zu übersetzen... Informativer Text und auch Interviews, gerne, aber Lyrik? Je mehr ich verstand, wie "Bedeutungswolken" funktionieren, und wie völlig inkompatibel sie zwischen Sprachen sind, umso mehr merkte ich, wieviel ich mit dem Metzger-Beil anrichte, wenn ich versuche, Poesie zu übertragen. Denn eine "Übersetzung" funktioniert da ohnehin nie, übersetzt man den Text, vernichtet man den Subtext, und versucht man, alle allfälligen Bedeutungsebenen irgendwie im Deutschen neu aufzubauen, umso weniger hat der Text noch irgendwas mit dem Original zu tun...
Meine Intention hinter den Übersetzungen ist ja weniger eine Grundlage für individuelle Deutungshypothesen als vielmehr die Bereitstellung zum besseren Textverständnis. Nicht alle sind des Französischen mächtig, aber was uns verbindet, ist die Liebe zu ihrer Musik. ;)

Dass dabei vieles zwischen den Zeilen verloren geht, ist ja keineswegs bestreitbar. Doch finde ich die Idee von (erstmal) völlig pragmatischen Übersetzungen recht legitim.

Mein Versuch, „L'Âme-Stram-Gram“ ins Deutsche zu übertragen ist gar nicht so fern von der englischen Version, die Du bereitgestellt hast, finde ich. Die analytischen Aspekte & die Kenntnisse des Muttersprachlers machen es natürlich zweifelsohne zum „top notch“. :)
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

Du hast das sogar fast perfekt getroffen, und mein Posting war in keiner Weise als Kritik gedacht, im Gegenteil. :)

Ich dachte nur, ich werfe das mal als Beispiel dazu ein, wieviel an unterschwelliger Bedeutung immer verlorengeht, egal wieviel Mühe und Sachkunde man sich macht.

Das Problem hier ist, daß die massive Zahl an pornografischen und obszönen Anspielungen und Assoziationen nicht vom "Inhalt" zu trennen ist. Der Text erscheint sehr verkopft, durch die Anspielungen wird das aber grotesk, und beides zusammen entfaltet dann seine Wirkung. Übersetzt man nur die primäre Bedeutung, dann läßt man die "eigentliche" Wirkung des Lieds außen vor.

Das Problem ist aber nicht lösbar, denn keine der doppeldeutigen Wörter und Anklänge (zum Teil ja erst phonetisch, wie "con fesse") funktioniert in Englisch, oder in Deutsch oder irgendeiner anderen Sprache. Um das nachzubilden, müßte man andere Wörter nehmen, mit denen das geht, und daraus einen anderen Text konstruieren, der dann aber wieder nix mehr mit dem primären Inhalt des Originals zu tun hat. Das Dilemma ist nicht wirklich lösbar.

PS: Ich hatte damals, als ich den Text sicherte, massiv selber darüber recherchiert und bin über den Kinderrheim auf einige weitere vergrabene Dinge gestoßen, ich schau mal, ob ich das noch finde. Dieses LIed ist definitiv ihr kryptischstes, allerdings nicht das "unübersetzbarste"... als am schwersten übersetzbares Lied haben sich damals alle auf "Moi Lolita" geeinigt, bis sie dann auch das gemacht haben... dummerweise verbot der Autor aber explizit jede Kopie im Netz und schrieb es auch drunter.
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Ungelesener Beitrag von danny »

MartinC hat geschrieben: 30. Sep 2021, 13:51 Das Problem ist aber nicht lösbar, denn keine der doppeldeutigen Wörter und Anklänge (zum Teil ja erst phonetisch, wie "con fesse") funktioniert in Englisch, oder in Deutsch oder irgendeiner anderen Sprache. Um das nachzubilden, müßte man andere Wörter nehmen, mit denen das geht, und daraus einen anderen Text konstruieren, der dann aber wieder nix mehr mit dem primären Inhalt des Originals zu tun hat. Das Dilemma ist nicht wirklich lösbar.
Das Problem ist mir schon bei einigen Texten begegnet. Gerade bei Sprichwörtern hat man so starke Differenzen über die Sprachen hinweg. Manche Sprichwörter gibt es im Deutschen so einfach nicht.
MartinC hat geschrieben: 30. Sep 2021, 13:51 dummerweise verbot der Autor aber explizit jede Kopie im Netz und schrieb es auch drunter.
Sehr schade! Vielleicht werde ich mich auch irgendwann mal den Alizée-Übersetzungen annehmen. :gruebel:
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

So, gut daß der alte Mann nie was wegwirft... :kicher:

Ich hab meine alten Unterlagen gefunden, als ich so um 2010 herum nach der Herkunft des Kinderreims recherchiert hatte. Die Geschichte ist nicht uninteressant, und Farmer war nicht die erste, die den Kinderreim modifiziert und phonetisch umgebaut hat. Françoise Hardy schrieb zum Beispiel auf ihrem Album "Gin Tonic" von 1980 das Lied Âme s'trame drame:



Der Text lautet:

Âme s'trame drame,
Pique et pique et psychodrame,
Dans l'âme se trame, drôle de drame,
Âme s'trame drame...
Femme s'trame drame,
Joue et joue dans l'ciné-drame,
Voudrait bien changer d'programme,
Femme s'trame drame...


Es war damals verblüffend für mich, daß der Kinderreim seit Urzeiten fast um den ganzen Planeten läuft, bis auf nur zwei Sprachkulturen: Nur im Angloamerikanischen dominiert "Eeny, meeny, miny, moe" und Deutschland hat dies als "Ene, mene, muh" adaptiert.

Und jetzt wird es spannend. Für den traditionellen französischen Reim:

Ams, tram, gram,
Pic et pic et colégram,
Bour et bour et ratatam,
Ams, tram, gram


...wird in Frankreich in der Literatur nahezu durchgehend ein angeblicher "deutscher Kinderreim" angeführt, der "übersetzt" so lauten soll:

Une, deux, trois,
Vole, vole, hanneton,
Cours, cours, cavalier,
Une, deux, trois


Das Problem ist... den gibt es gar nicht. Jeder schreibt in Frankreich von jedem ab, daß es so wäre, aber niemand benennt eine Quelle. Schaut man sich den Text an, kommt einem "Hoppe Hoppe Reiter" in den Sinn, aber da besteht ansonsten keine Ähnlichkeit. Das "Ams, tram, gram" wird ja als phonetische Adaption des deutschen Textklangs kolportiert.

Es gibt aber eine andere Erklärung, und zwar soll es einen uralten okkulten Beschwörungsvers aus Skandinavien geben, und der wird so zitiert:

Emstrang Gram
Bigà bigà ic calle Gram
Bure bure ic raede tan
Emstrang Gram


Sollte das so stimmen, dann wäre es schon ziemlich eindeutig, und jetzt kommt das i-Tüpfelchen: Es wäre die schamanische Anrufung vom Geist eines Wolfes! :kicher:

Nicht uninteressant sind auch die (natürlichen) Variationen des Reims, der wie gesagt nahezu überall auf der Welt außer in Deutschland, England und den USA existiert. Eine sehr alte Variante aus der Provence lautet:

In sin grin
Pique pique colégrin
Bourre bourre lacagrin
Mouscrin


Jetzt gehe ich auch mal in den "Kiouty-Modus" und werfe ein, daß mich "In sin grin" phonetisch doch ziemlich stark an "Isegrim" (französisch "Ysengrin") erinnert, der Name aus Goethes "Reinecke Fuchs" für... den Wolf! :kicher:

Im wallonischen Teil Belgiens gibt es eine entferntere Variation:

Èn, swey, drey
Pike et pike et comedeye
Boure et boure et ratatam
Moustram


...die natürlich dann auch wieder an "Eins zwei drei" und damit an den angeblichen deutschen Reim erinnert. Und zuguterletzt hatte ich damals noch die griechische Variante gefunden, dort zählen die Kinder:

As tra dam
Piki piki ram
Pouri pouri ram
A stram dam
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Ungelesener Beitrag von imagine »

Mylène und die Wölfe :kicher: . Das sind ja immer wieder die Texte, bei denen ich sie zu gerne persönliche fragen würde, wodurch er entstanden ist. Und dann stellt sich raus: Ach, es hat sich schön gereimt :pooh1: :pooh1: :pooh1: (unwahrscheinlich, aber die Vorstellung amüsiert mich irgendwie :innocent: ).
Plus loin plus haut... j’atteins mon astre...
Shakira / Mylène / Blog
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MartinC
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

Die Kulturgeschichte des Wolfs ist nicht ganz ohne. Es gibt Hinweise darauf, daß Neandertaler in Notzeiten zusammen mit Wölfen gejagt haben - solche Koalitionen zwischen verschiedenen Spezies sind durchaus nicht ungewöhnlich. Als sich der Homo Sapiens aber später vom reinen Jäger/Sammler zu einem seßhaften Bauer verwandelt hat, wurden die Wölfe zu Feinden und in den folgenden Jahrhunderten vielerorts ausgerottet.

Und abgesehen davon ist der Wolf in der historischen Bildersprache unter anderem auch eine Metapher für den gewalttätigen Aspekt der menschlichen Sexualität. Na das ist doch mal ein Zufall... :kicher:

Na ja, und der in den 90ern bei einem Unfall tödlich verunglückte jüngere Bruder von Mylène hieß... Loup.
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Ungelesener Beitrag von danny »

Keine Zeit zum Leben [Pas le temps de vivre]

Es gibt Zeiten, in denen
die Schatten verblassen [und]
der Schmerz erstarrt.
Es gibt Zeiten, in denen,
wenn das Wesen unbesiegbar ist,
das Lepra sich beugt, doch ...

... wenn ich das eines Tages hätte sehen können ...
Ich werde der sein, den du verfolgst.
Dass ich deinen Atem brauche,
um die Unsicherheit zu überwinden,
zertrümmert meine Einsamkeit.

Es gibt Zeiten, in denen
die Noten herausstechen [und]
die Tränen verblassen.
Es gibt Zeiten, in denen,
wenn der Mond so blass ist,
das Wesen klösterlich ist, doch ...

... ich wandere wie ein Licht,
welches der Wind ausgelöscht hat.
Meine Nächte haben keine Augenlider,
um einen nach dem anderen entlasten.
Meine Ängste, nicht mehr zu sein.
Ich habe keine Zeit zu leben,
wenn mein Gleichgewicht flieht.
Ich habe keine Zeit zu leben.
Lieb mich, tritt ein.
Sag mir die Worte, die dich betrunken machen.
Sag mir, dass die Nacht verschleiert ist.
Siehst du, ich bin wie das Meer, das sich zurückzieht,
weil du deine Schritte nicht finden kannst.
Es gibt Zeiten, in denen
meine Gedanken so schwach sind,
ein aderloser Marmor.
Es gibt Zeiten, in denen
wir nicht mehr von dieser Welt sind,
[sondern] der Schatten seines Schattens, sag ...

... welchen Schlüssel benötige ich,
um deinem Stern zu begegnen?
Ich brauche deine Hand dort,
um einen nach dem anderen zu umarmen.
Meine Ängste, nicht mehr zu sein.
[Chorus] [2x]
–––––––––––––––

* Bezug auf das vom Wind ausgelöschte Licht
L'amour de ma vie, c’est mélancolie.
Antworten