So, und dann machen wir mal den Versuch einer richtigen Analyse. Wenn ich mich hier schon immer aus dem Fenster hänge und den ESC als "interessant" bewerbe, fühle ich mich da ein wenig in der Pflicht...
Ich denke, daß wir 2023 wirklich einen Ausnahmewettbewerb hatten, und ob das jetzt so bleibt oder 2024 schon wieder Geschichte ist, werden wir sehen müssen. Über Deutschland habe ich immer gerne, und mit Recht

, Hohn und Spott gekübelt, aber dieses Jahr war das hochanständig und niemand muß sich schämen, weder fremd noch eigen. Und meine plausibelste Erklärung ist: Falsche Zeit, falscher Ort, Pech gehabt.
Warum? Weil die Beiträge noch nie so unerwartet (gut) waren. Wenn ich jetzt sage, daß der deutsche Song natürlich schon auch etwas simpel gestrickt war, dann klingt das erstmal absurd, wenn Finnland den Puff (fast) gewonnen hätte. Aber analysiert man mal den Kontext, was da in den zwei Halbfinals und gestern Nacht gelaufen ist, dann sieht es plötzlich wieder anders aus.
Ich denke der entscheidente Punkt ist: Wir hatten dieses Jahr ein Schisma zweier Welten. Auf der einen Seite die Hausfrauen/Partyfraktion, die vor allem gute Laune und schlichtes Liedgut liebt, und auf der anderen Seite Leute, denen es um die Musik geht. Aus welchen Gründen auch immer war dieses Jahr die Party-Fraktion im Feld krass unterrepräsentiert, und die Kunst-Fraktion zahlenmäßig beinahe das Monopol.
Und das relativiert die Sache mit der Song-Qualität. Natürlich ist Deutschland ein Meisterwerk verglichen mit Finnland, aber hier hatten wir getrennte Welten. Die Leute, die für Finnland und Belgien abgestimmt haben, hätten *niemals* Deutschland gevoted, und umgekehrt.
Und damit war nicht Finnland der Konkurrent für uns, sondern... alle anderen. Und da muß ich, leider, sagen, daß da auch bei mir Deutschland nicht ganz oben gewesen wäre.
Ich mochte z.B. die blaue Dame aus Estland sehr, und die ist immerhin 8. geworden:
Stimmlich mochte ich auch die orangene Dame aus Litauen, und die ist immerhin 11. geworden:
Beide hätte ich niemals auf dem Podium gesehen, und diese Plätze finde ich daher bemerkenswert gut. Das ging nur etwas im Tumult unter.
Phänomenal gut fand ich Spanien, aber so eine krasse Nummer hätte ich ganz weit hinten erwartet, so wurde es immerhin ein 15. Platz, das finde ich sensationell gut:
Frankreich hat mir gefallen, Italien hat mir gefallen, Israel hat mich überrascht, Tschechien fand ich extrem gut... und das landete auf dem 10. Platz:
Also jetzt nehmen wir mal an, *ich* wäre in einer neutralen Jury gewesen. Da wären die 5 Ballermann-Nummern bei mir außen vor gewesen (die aber von den andere massiv viele Stimmen bekämen und ca. 3 Plätze blockieren) und ich hätte bei den verbliebenen 7 Slots mitgestimmt... und da wären mir auf Anhieb 10 Nummern eingefallen, die ich einfach noch besser als Deutschland gefunden hätte. Und egal in welchem Voting Deutschland nicht in die Top 10 kommt... bekommt Deutschland auch keine Punkte.
Und damit ist es einfach extrem traurig, daß der (relativ) beste deutsche Beitrag seit Michael Schulte ausgrechnet in einem Jahr kam, in dem 30 der anderen Länder über Nacht auf die Idee kamen, auch mal "richtige Musik" zu schicken...
Und das nennt man: Pech...
Der Sieg von Schweden geht für mich zu 100% in Ordnung. Es gehörte (Melodie/Riff) zu den 5 besten Songs, sie gehörte zu den 5 besten/stärksten Stimmen, die visuelle Performance war die beste, und sie gehörte zu den nur wenigen, die einen richtigen dramaturgischen Aufbau in der Nummer hatte, und nicht wie ein Duracell-Hase auf Ecstacy von der ersten Sekunde an herumhampelte. Wenn Loreen das in diesem Feld nicht gewonnen hätte, wer dann... (meine 4 Pfennige).
Aber wie grotesk das dieses Jahr war, sieht man am besten mit einem groben Witz... wir machen jetzt mal ein Quiz: Welcher dieser beiden hätte um Haaresbreite den ESC gewonnen?
