von MartinC » 11. Jul 2023, 09:38
Ich habe lange darüber nachgedacht, wann/ob ich über unsere eigenen "Impressionen" erzählen sollte, da ich auch nicht weiß, wie man dabei die Contenance bewahren sollte. Aber ein paar Beobachtungen sollte ich wohl doch in die Runde werfen.
Im Stadtteil unseres Hotels (L'île-Saint-Denis) nordwestlich vom Stadion gab es in der Nacht Mittwoch auf Donnerstag einen Brandanschlag auf das kleine Rathaus. Insofern gab es tatsächlich "Unruhen" in zeitlicher Nähe zum ursprünglichen Anlaß. Die Frage ist, was danach passierte und was nicht.
Als wir Donnerstag Mittag ankamen, erfuhren wir, daß offenbar der komplette Nahverkehr per Dekret verboten wurde. Es fuhren (rund um die Uhr, also auch tagsüber) keine Busse mehr, und die Tram, die quasi südlich vom Stadtteil einmal quer durchfuhr, fuhr nur sporadisch und wurde dann den meisten Teil jedes Tages am Bahnhof angehalten. Und sofern ich die eine Busfahrerin richtig verstanden habe, waren auch alle Taxis verboten. Das bedeutete dann, daß wir unsere Koffer mehrere Kilometer schleppen durften, um zum Hotel zu kommen, denn alle Buslinien stoppten an der Stadtteilgrenze.
Und jetzt die Frage "warum"? Wir haben in den Tagen im gesamten Viertel genau zwei (in Ziffern: 2) Zerstörungen gesehen. Nähe Bahnhof war ein Handy-Laden mit einer zerdepperten Scheibe, der wohl ausgeraubt wurde. Drum herum roundabout 100 andere kleine Läden, die waren offen und hatten keinen Kratzer. Und dann schon etwas spooky: Auf einer ca. 1 km langen Allee (bürgerliche Wohngegend) mit Bäumen, auf denen lückenlos hunderte Autos parkten, war *ein* Auto komplett niedergebrannt. Wie das geschehen war, ist nicht nachvollziehbar - ich meine, wie genau "randaliert" ein anarchistischer Mob in einer solchen Straße und brennt mittendrin *ein* Auto nieder, ohne irgendwas sonst zu beschädigen?
So oder so, wir sind drei Tage lang ausführlich durch das ganze Viertel gelaufen, Nahverkehr gab es ja keinen mehr, und diese beiden Schäden waren die einzigen, die wir zu Gesicht bekamen. Und dafür wurde das öffentliche Leben rund um die Uhr stillgelegt.
Im Hotel war der TV-Empfang sehr überschaubar - auf den meisten Sendern Klötzchen und "No Signal". Was lief, war ein lokaler Privatsender aus Paris, und dort lief (und das ist jetzt keine Polemik von mir, sondern 1:1 Fakt) 72 Stunden lang rund um die Uhr eine 120-Sekunden-Schleife mit 4-5 brennenden Autos und einer Ladenplünderung, zusammenkompiliert aus ganz Frankreich. Das lief Full Screen, mit einem kleinen Fenster links unten, in dem der Moderator alle möglichen Leute interviewte. Es war egal, wann man den Sender anmachte, morgens, mittags, abends, die ganze Nacht durch, dieselben brennenden Autos und Weltuntergang, keinerlei anderes Programm.
Ich sag mal so: Es gibt Leute, die aggro sind und gerne Sachen kaputt machen. Wenn man denen rund um die Uhr erzählt, daß grade ganz Frankreich brennt, was machen die dann? In Marseille und Lille hat es funktioniert, ab Freitag/Samstag gab es dort dann ja auch "richtige" Straßenkämpfe.
Noch ein Beispiel? Dieser Moderator in seinem Fensterchen erzählt auch ein paarmal, daß "Les Halles verwüstet wurde". Das klingt natürlich ganz schlimm. Nun, Freitag waren wir dort... ich wollte in den FNAC und hoffte, daß er noch steht... Er stand. Und alle anderen auch. Was kaputt war: Dem Nike-Laden außen am Eck hatten sie die Fensterscheibe eingeschmissen und Turnschuhe geklaut. Und das war, deutlich sichtbar, alles! Es gibt 168 Shops im Les Halles Hauptgebäude, 167 davon wurde kein Haar gekrümmt, und dem Nike-Laden wurden Schuhe geklaut. Bevor ich jetzt einen Shitstorm bekomme... Nein, ich finde das nicht gut! Das waren A***löcher und Diebe. Aber sie haben *einen* Laden ausgeraubt. Und das Viertel drumherum? Wie aus dem Ei gepellt - alle Läden offen, Touristen ohne Ende, Idylle pur.
Und als wir Freitag dort waren, sahen wir vor der kaputten Scheibe dicht zusammengedrängt drei (!) TV-Teams stehen, die simultan ihre Korrespondenten gefilmt haben, die der Welt erzählten, wie letzte Nacht die Pariser Innenstadt verwüstet wurde.
Gab es Zerstörungen und Vandalismus in Paris? Ja. Gab es einen Massenaufstand? Nein. Gab es eine Revolution? Nein. Gab es IRGENDWAS, das über den normalen täglichen Wahnsinn in London oder Berlin (an einem beliebigen Tag) oder in Paris (in allen anderen 51 Wochen des Jahres) hinausgegangen wäre? Nein. Gab es für Notstands-Dekrete freidrehender Politiker IRGENDEINE Rechtfertigung? Nein.
Ich habe lange darüber nachgedacht, wann/ob ich über unsere eigenen "Impressionen" erzählen sollte, da ich auch nicht weiß, wie man dabei die Contenance bewahren sollte. Aber ein paar Beobachtungen sollte ich wohl doch in die Runde werfen.
Im Stadtteil unseres Hotels (L'île-Saint-Denis) nordwestlich vom Stadion gab es in der Nacht Mittwoch auf Donnerstag einen Brandanschlag auf das kleine Rathaus. Insofern gab es tatsächlich "Unruhen" in zeitlicher Nähe zum ursprünglichen Anlaß. Die Frage ist, was danach passierte und was nicht.
Als wir Donnerstag Mittag ankamen, erfuhren wir, daß offenbar der komplette Nahverkehr per Dekret verboten wurde. Es fuhren (rund um die Uhr, also auch tagsüber) keine Busse mehr, und die Tram, die quasi südlich vom Stadtteil einmal quer durchfuhr, fuhr nur sporadisch und wurde dann den meisten Teil jedes Tages am Bahnhof angehalten. Und sofern ich die eine Busfahrerin richtig verstanden habe, waren auch alle Taxis verboten. Das bedeutete dann, daß wir unsere Koffer mehrere Kilometer schleppen durften, um zum Hotel zu kommen, denn alle Buslinien stoppten an der Stadtteilgrenze.
Und jetzt die Frage "warum"? Wir haben in den Tagen im gesamten Viertel genau zwei (in Ziffern: 2) Zerstörungen gesehen. Nähe Bahnhof war ein Handy-Laden mit einer zerdepperten Scheibe, der wohl ausgeraubt wurde. Drum herum roundabout 100 andere kleine Läden, die waren offen und hatten keinen Kratzer. Und dann schon etwas spooky: Auf einer ca. 1 km langen Allee (bürgerliche Wohngegend) mit Bäumen, auf denen lückenlos hunderte Autos parkten, war *ein* Auto komplett niedergebrannt. Wie das geschehen war, ist nicht nachvollziehbar - ich meine, wie genau "randaliert" ein anarchistischer Mob in einer solchen Straße und brennt mittendrin *ein* Auto nieder, ohne irgendwas sonst zu beschädigen?
So oder so, wir sind drei Tage lang ausführlich durch das ganze Viertel gelaufen, Nahverkehr gab es ja keinen mehr, und diese beiden Schäden waren die einzigen, die wir zu Gesicht bekamen. Und dafür wurde das öffentliche Leben rund um die Uhr stillgelegt.
Im Hotel war der TV-Empfang sehr überschaubar - auf den meisten Sendern Klötzchen und "No Signal". Was lief, war ein lokaler Privatsender aus Paris, und dort lief (und das ist jetzt keine Polemik von mir, sondern 1:1 Fakt) 72 Stunden lang rund um die Uhr eine 120-Sekunden-Schleife mit 4-5 brennenden Autos und einer Ladenplünderung, zusammenkompiliert aus ganz Frankreich. Das lief Full Screen, mit einem kleinen Fenster links unten, in dem der Moderator alle möglichen Leute interviewte. Es war egal, wann man den Sender anmachte, morgens, mittags, abends, die ganze Nacht durch, dieselben brennenden Autos und Weltuntergang, keinerlei anderes Programm.
Ich sag mal so: Es gibt Leute, die aggro sind und gerne Sachen kaputt machen. Wenn man denen rund um die Uhr erzählt, daß grade ganz Frankreich brennt, was machen die dann? In Marseille und Lille hat es funktioniert, ab Freitag/Samstag gab es dort dann ja auch "richtige" Straßenkämpfe.
Noch ein Beispiel? Dieser Moderator in seinem Fensterchen erzählt auch ein paarmal, daß "Les Halles verwüstet wurde". Das klingt natürlich ganz schlimm. Nun, Freitag waren wir dort... ich wollte in den FNAC und hoffte, daß er noch steht... Er stand. Und alle anderen auch. Was kaputt war: Dem Nike-Laden außen am Eck hatten sie die Fensterscheibe eingeschmissen und Turnschuhe geklaut. Und das war, deutlich sichtbar, alles! Es gibt 168 Shops im Les Halles Hauptgebäude, 167 davon wurde kein Haar gekrümmt, und dem Nike-Laden wurden Schuhe geklaut. Bevor ich jetzt einen Shitstorm bekomme... Nein, ich finde das nicht gut! Das waren A***löcher und Diebe. Aber sie haben *einen* Laden ausgeraubt. Und das Viertel drumherum? Wie aus dem Ei gepellt - alle Läden offen, Touristen ohne Ende, Idylle pur.
Und als wir Freitag dort waren, sahen wir vor der kaputten Scheibe dicht zusammengedrängt drei (!) TV-Teams stehen, die simultan ihre Korrespondenten gefilmt haben, die der Welt erzählten, wie letzte Nacht die Pariser Innenstadt verwüstet wurde.
Gab es Zerstörungen und Vandalismus in Paris? Ja. Gab es einen Massenaufstand? Nein. Gab es eine Revolution? Nein. Gab es IRGENDWAS, das über den normalen täglichen Wahnsinn in London oder Berlin (an einem beliebigen Tag) oder in Paris (in allen anderen 51 Wochen des Jahres) hinausgegangen wäre? Nein. Gab es für Notstands-Dekrete freidrehender Politiker IRGENDEINE Rechtfertigung? Nein.